GAIA-X – göttlicher Name, aber wenig Substanz

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat vor rund zehn Tagen ein noch sehr grobes Konzept für einen deutschen/europäischen virtuellen Hyperscaler vorgestellt. Die Initiative trägt zwar mit GAIA-X einen klangvollen Namen – Gaia ist in der griechischen Mythologie die personifizierte Erde – aber bisher sind nur sehr wenige Details bekannt. GAIA-X soll ein virtueller Hyperscaler werden, in dem deutsche und europäische Cloud-Anbieter ihre Kapazitäten und Services miteinander vernetzen, um zu Amazon Web Services (AWS), zu Microsoft Azure und anderen amerikanischen Playern eine valide Alternative anbieten können, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

GAIA-X-Fan Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (Foto: BMWI)

Dazu soll eine eigene Organisation entstehen, die Technik und Regeln für die neue Cloud steuert. Auf diese Weise möchte Altmaier dazu beitragen, die Abhängigkeit deutscher/europäischer Behörden und Unternehmen von amerikanischen Anbietern zu minimieren. Angesichts der kriselnden Handelsbeziehungen zwischen Europa und den USA sehen einige Experten offenbar die Gefahr, dass die US-Regierung europäische Daten, die bei amerikanischen Unternehmen gespeichert sind, als Faustpfand einsetzen und damit drohen könnte, den Zugang zu ihnen zu verweigern.

Offensichtlich stört es die Politik, dass nicht nur Großunternehmen wie VW und halbstaatliche Konzerne wie Deutsche Bahn und Telekom eng mit AWS und Microsoft verbandelt sind, sondern selbst Polizeibehörden aus Mangel an Alternativen bei Amazon speichern müssen. So wie die Bundespolizei, die Daten von Körperkameras ihrer Bereitschaftskräfte bei AWS speichert.

Besser eine Cloud für Behörden als ein eigene Hyperscaler

Während GAIA-X vielleicht eine Cloud für Behörden und andere staatliche Institutionen in Deutschland und Europa werden könnte, stehen die Chancen aus heutiger Sicht schlecht, dass auch Unternehmen von dem virtuellen Hyperscaler profitieren können. Zunächst stellt sich die Frage, ob vernetzte Cloud-Provider in Sachen Kapazität, Servicevielfalt, Performance und internationaler Verfügbarkeit auch nur annähernd auf das Niveau von AWS und Microsoft kommen können, die zehn Jahre Vorsprung haben. Weitere Fragen wirft die Konzeption des Netzwerkes auf. Es steht zu befürchten, dass sich ein loser Verbund von Anbietern nur schwer auf gemeinsame Angebote, Schnittstellen und Abrechnungsmodelle, Service Level und Preise einigen kann.

Aus heutiger Sicht ist GAIA-X kein großer Wurf, der die Abhängigkeit hiesiger Unternehmen von amerikanischen Playern nennenswert mildern könnte. Wahrscheinlich wäre Minister Altmaier besser beraten, eine Bundes-Cloud oder eine Europa-Cloud auszurufen, die speziell auf die Bedürfnisse der öffentlichen Hand ausgerichtet ist. Das wäre eine Kernklientel, die zum einen groß genug ist, um für europäische Anbieter attraktiv zu sein und zum anderen hat sie in Sachen Sicherheit, Datenschutz und Services Anforderungen, die die heutigen Hyperscaler nicht oder nur eingeschränkt bieten. Wenn man eine solche Cloud-Infrastruktur später auch für Unternehmen öffnen würde, könnte daraus tatsächlich irgendwann ein kraftvoller Player entstehen, der AWS und Co das Wasser reichen kann.

Aber auf Basis der heute vorliegenden Informationen könnte GAIA-X das gleiche Schicksal ereilen wie der von Minister Altmaier im letzten Jahr ins Spiel gebrachte KI-Airbus. Die Idee wurde ebenfalls nur mit wenigen Details versehen in die öffentliche Diskussion gebracht, stieß auf breite Ablehnung und ist dann schnell in der Versenkung verschwunden. Bisher das einzig vielversprechende an GAIA-X ist, dass die Bundesregierung offenbar aufgewacht ist und im Technologiebereich mit einer aktiven Technologiepolitik mitmischen will. Nur sind die Resultate dieses Wollens bisher leider nicht wirklich vorzeigbar. Um die Ergebnisse zu verbessern, wäre es vielleicht eine Idee, Anwenderunternehmen stärker einzubinden und sie frühestmöglich zu fragen, was sie brauchen.

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