Beim 9. CIO-Austausch in der Corona-Krise, der am 20. Mai. 2020 stattfand, standen ein Praxisbericht von Karsten Häcker, CIO des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin sowie Tipps zum Verkauf von Gebrauchtsoftware im Vordergrund.
Häckers Zwischenbilanz für die IT in der Corona Krise ist zweischneidig: 1. Es läuft gut, die IT hat viele Freunde gewonnen. 2: Wie lange geht das noch?“ Mit dieser Frage will Häcker vor allem darauf aufmerksam machen, dass seiner Meinung nach zurzeit deutlich zu wenig über die mittelfristigen Herausforderungen der Digitalisierung gesprochen wird. Zum Beispiel mehrten sich die Stimmen, die das Thema remote work kritisch sehen. Noch seien Dinge wie Arbeitszeiten oder fehlender persönlicher Austausch, die am Anfang des Shutdowns keine große Rolle spielten, nach wie vor nicht geregelt. Wenn aber jetzt laut überlegt werde, dass remote work auch nach der Krise eine größere Rolle spielen solle, müsse man sich diese Dinge überlegen.
Auch den vielgelobten Digitalisierungsschub, den Corona angeblich ausgelöst habe, sieht er kritisch: „Wenn ich Corona brauche, um zu digitalisieren, bin ich vielleicht beim falschen Unternehmen“, merkt er an.
4 Millionen CPU-Stunden gemietet
Trotz dieser offenen Fragen an die gesamte IT-Szene betrachtet der CIO des Delbrück-Zentrums, das viel Grundlagenforschung betreibt, seine Organisation in der Krise gut aufgestellt. Nach wenigen Tagen schon nahm ein Krisenstab die Arbeit auf zu dem auch die IT des Zentrums gehört. Er teilte seine Aufgabenbereiche in Finanzen, Personal und Corona-Forschung. Letztere wurde zu Lasten anderer Forschungsprojekte priorisiert. Um dafür die nötigen IT-Kapazitäten zu bekommen, verhandelte Häcker in nur wenigen Tagen einen Vertrag mit dem High Perfomance Rechenzentrum in Jülich über 4 Millionen CPU-Stunden. Die Forschungsarbeit an Corona brauche diese Kapazitäten. Dieses Virus fräße buchstäblich Rechenpower.
Für die Kollaboration der Mitarbeiter und Forscher untereinander nutzt das Delbrück-Zentrum neben Zoom und Slack auch den freien webbasierten Messaging-Dienst Mattermost. Er erlaubt sowohl den Chat mit Einzelpersonen als auch Gruppenchats, die in „Kanälen“ organisiert werden. Da bereits vor der Krise viel in IT und vor allem in Virtualisierung investiert worden sei, konnte die IT die krisenbedingte Umstellung sehr gut bewältigen. Dabei habe das „coole Team“ eine sehr wichtige Rolle gespielt.
Kein Problem beim Verkauf gebrauchter Software
Das zweite zentrale Thema des CIO-Austausches war der Umgang mit, besser der Verkauf von Gebrauchtsoftware. Zwar sehen das die Softwarehersteller nicht gern, führten VOCC-Spezialisten Stephanie Engelhardt und VOICE-Justiziar Ulrich Bäumer aus, aber es sei vom obersten Europäischen Gericht (EUGh) geklärt, dass Unternehmen erworbene Softwarelizenzen auch ohne Rücksprache mit den jeweiligen Anbietern verkaufen dürfen und zwar sowohl ihr gesamtes Lizenzpaket als auch Teile davon. Engelhardt führte detailliert aus, wie Unternehmen dabei vorgehen sollten, um keine Rechtsvorschriften zu verletzen.
Patrick Quellmalz vom CIO-Office der ZF Friedrichshafen bestätigte, dass ein Verkauf von Lizenzen problemlos möglich sei. Sein Unternehmen habe innerhalb von nur 2 Monaten Lizenzen in größerem Stil weiterverkauft, für eine Gesamtsumme, die im siebenstelligen Bereich liegt.
Eine andere Frage ist der Umgang mit Cloud Subsriptions. Hier sprechen die Anbieter bei der Vermarktung sehr häufig vom Pay-as-you-use-Verfahren, aber häufig sind die Verträge auch hier sehr viel unflexibler als das Marketing der Anbieter glauben macht. In einer der kommenden Sessions wird der CIO-Erfahrungsaustausch diskutieren, wie flexibel dieses Cloud-Verträge tatsächlich sind und was man tun kann, um die Hersteller gerade in diesen schwierigen Krisenzeiten zu mehr Entgegenkommen motivieren kann.
Wie in jeder Woche erhielten die etwa 50 Teilnehmer außerdem einen Überblick über aktuelle Sicherheitsvorfälle. In der letzten Woche war besonders der Angriff auf die europäischen Hochleistungsrechner (unter anderem auf das Rechenzentrum Jülich) bemerkenswert. Offenbar wollten die Angreifer, die fünf HPC-Zentren nutzen, um Cryptomining zu betreiben, also zum Beispiel Bitcoins zu schöpfen. Teilweise mussten die Rechenzentren vom Netz genommen werden. Für ihre Attacken nutzten die Angreifer offenbar gestohlene Credentials.
Nächster CIO-Austausch am 27. Mai um 18:00 Uhr
Der nächste CIO-Austausch findet am 27. Mai.2020 um 18:00 Uhr statt. Themen sind dieses Mal unter anderem die Resilienz von Kommunikationssystemen (Riccardo Sperrle, CIO und Managing Director bei Tengelmann Twenty-One KG) sowie Event Driven Architecture mit Opensource (David Preuß, CIO Flughafen Köln/Bonn). Wer dabei sein möchte und nicht VOICE-Mitglied ist, meldet sich am einfachsten beim VOICE-Kollegen Grischa Thoms unter grischa.thoms@voice-ev.org.